RednerInnen
Daniela Egger
SchauspielerInnen des Landestheater Ensembles Vivienne Causemann, David Kopp
Konrad Steuer
Moderation
Brigitte Walk
Musik
Mikka Mittendorfer Hang
Die Rede von Daniela Egger im Wortlaut
Die Situation der Menschen auf Lesbos, Samos, Chios und an der Balkangrenze ist uns allen klar, inzwischen haben die Medien das Thema endlich aufgegriffen und der Druck auf die Regierung steigt. Eigentlich ist alles längst gesagt. Vielleicht aber doch nicht alles, und ich habe lange überlegt, ob ich mich zu weit aus dem Fenster lehne, wenn ich uns allen jetzt noch mehr die Laune verderbe. Ich muss es aber leider versuchen.
Sebastian Kurz hat hässliche Bilder angekündigt und er hält sein Versprechen. Die Bilder aus Kara Tepe und die Berichte der Ärztinnen und Helfer sind gewollt, weil sie einen Zweck erfüllen – allerdings werde ich das Gefühl nicht los, dass diese Bilder einen ganz anderen Zweck haben als den Schwachsinn von Pull-Effekt und dergleichen, den uns unser Bundeskanzler verkaufen möchte. Kein Mensch flieht aus seiner Heimat, weil jetzt wieder Platz in einem elenden Lager frei ist. Fluchtursachen sind alternativlos. Man flieht, weil das eigene Leben und vor allem das der eigenen Kinder bedroht ist, man flieht, weil die eigene Heimat zerstört wird und man keine Zukunft mehr sieht. Ich verstehe nicht, warum es offensichtlich diesen Menschen nicht ermöglicht wird, legale Asylanträge über ihre Botschaften zu stellen, so dass sie nicht zu illegalen Grenzübertritten genötigt werden. Und warum die EU nicht in der Lage ist, anständige Lager und Unterbringungsmöglichkeiten aufzustellen, die ihnen Sicherheit bieten, solange bis ihre Anträge bearbeitet sind. Ich sehe das Problem einfach nicht, außer … man verfolgt eine „Hidden Agenda“, ein verdecktes Ziel.
Herr Kurz ist sehr zielgerichtet und sein eigentliches Signal gilt ganz anderen Leuten. Er lässt sich mit Victor Orban fotografieren, lässt sich in der Wiener Stadthalle von katholischen Fundamentalisten segnen und erlaubt, dass das Parlament zum Beten missbraucht wird. Ihm ist vollkommen egal, mit wem er in einer Koalition ist, er zieht sein Ding durch und das Ding ist meiner Meinung nach brandgefährlich. Da entsteht seit vielen Jahren ein rechtes und christlich-fundamentalistisches Netzwerk in Europa und in der westlichen Welt. Ich kann nicht behaupten, dass er Teil dieses Netzwerks ist, aber ich bin überzeugt davon, dass er damit liebäugelt. Herr Kurz hat vor, noch länger im Geschäft zu bleiben – und er kennt die Geldflüsse und die Absprachen, die nicht in den Nachrichten kommen. Derzeit schärft er sein Profil für eine Zukunft, die er ganz rechts sieht. Das ist der Grund, weshalb diese Menschen in einem solchen Elend sitzen gelassen werden. Er braucht die hässlichen Bilder, weil sie sein rechtes Image stärken.
Ich war im Jänner auf einer Tagung von NGOs in Wien und bin dort aus allen Wolken gefallen, als zwei Vortragende uns die Professionalität rechter Marketing-Strategien präsentiert haben. Sie hinterließen eine deutliche Warnung, diese Profis nicht zu unterschätzen. Die anwesenden Vertreterinnen der NGOs (mich eingeschlossen) hatten von der Reichweite und Macht sozialer Medien mit politischer Botschaft nicht nur keine Ahnung. Es nimmt sich auch kaum jemand die Zeit, um sie zu bedienen. Niemand in diesen Kreisen sieht die Notwendigkeit eine neue Erzählung zu erfinden, um die jungen Leute abzuholen. Warum auch, denken wir alle – ist doch klar, der Anstand zählt und die Menschlichkeit ist oberstes Gebot. Aber es könnte sein, dass wir unterschätzen, wie viel Geld in eine neue rechte Szene fließt, und wie gut sie ihr neues Narrativ aufgestellt haben. Wer sich selbst ein Bild davon machen möchte, google PragerU, eine amerikanische Online-Universität ohne Status, aber mit Milliarden von Clicks auf YouTube. Dort kann man lernen, wie eine strategisch durchdachte Kampagne heute designt wird.
Sie werden dort keine Neonazis mit Glatzen zu sehen bekommen. Das sind Leute aus der amerikanischen Akademikerwelt, sie sind gebildet, eloquent und erfolgreich und sie teilen eine neue, rechte Vision. In ansprechenden Filmclips wird etwa die Gleichstellung der Frau als Irrweg dargestellt, Promis klären auf über linke Lügen und dergleichen. Ziemlich lange klingt sogar vieles irgendwie nachvollziehbar. Es wird aber auch von Erweckungserlebnissen berichtet, und … naja: gebetet. Wenn ich diese schrägen christlichen Auftritte in den USA und inzwischen auch in Österreich sehe, dann bleibt mir echt die Spucke weg. Das in Kombination mit Freund Orban, mit dubiosen Plünderungen im eigenen Innenministerium, mit geschredderten Festplatten und dergleichen mehr, das geht schon alles sehr weit.
Dem Bundeskanzler ist egal, was mit den Menschen an den EU-Grenzen geschieht, es wäre ihm vermutlich auch egal, sie aufzunehmen. Das einzige, was ihm nicht egal ist, sind sein Profil und seine Umfragewerte.
Ich glaube aber auch, dass der Druck der Medien und unsere kleine Druckwelle hier und in den anderen Städten tatsächlich in der Lage sind, die eiskalte Mauer unserer Bundesregierung einstürzen zu lassen. Und wie Konrad Steurer letzten Sonntag gesagt hat: die Mauer bröckelt.
Bei all den alten Gespenstern dürfen wir gleichzeitig den Humor nicht verlieren. Humor ist eine wunderbare Sache, er kann Angst auflösen und Kräfte freisetzen und am Ende kann er Mauern einstürzen lassen. Es ist der Humor, der unsere PRIM-Kerngruppe seit zwölf Jahren zusammenhält, obwohl wir uns für die wohl aussichtsloseste Sache einsetzen, die man in Österreich finden kann – das Schulsystem. Und weil wir uns in den letzten 12 Jahren am Bildungssystem die Zähne noch immer nicht ausgebissen haben, gehen schon mehr als vier Sonntagsdemos und Mahnwachen auch auf unsere Kappe, gemeinsam mit vielen Mitstreiter/innen.
Als Konrad Steurer sich an die Wiener Hilfslieferung nach Lesbos anschließen wollte, dachte er an zwei Paletten. Die schiere Menge der Spenden hat wohl alle überwältigt. Von überallher kamen Zusagen und Hilfen für alles, was gerade gefehlt hat. Von Cornelia Matt eine ganze Halle im Kaplan Bonetti Gelände zur Zwischenlagerung, von einem Lebensmittelhändler 20 Paletten, von Kurt Walser drei kräftige Jungs vom IFS und ein Transporter, Andreas Baier von Energie-Instuitut, der 51 Palletten verpackt hat, von vielen Menschen Sach- und Geldspenden … Jetzt stehen in Dornbirn 51 fertig gepackte Paletten mit 9,6 Tonnen in der Halle, 27.000 Euro sind auf dem Spendenkonto, damit vor Ort Lebensmittel eingekauft werden können. Das alles innerhalb von zwei Wochen.
Und das ist es, was wir sind. So sind die normalen Menschen überall auf der Welt. Das wird unser Bundeskanzler lernen müssen, wenn er hoffentlich bald als derjenige in die Geschichte eingeht, der am meisten Geld vernichtet und die peinlichsten Pressekonferenzen abgehalten hat und sich selbst das unanständigste Werbebudget zugewiesen hat. Und sonst hat er nix zustande gebracht.
Die Mauer bröckelt, und seine feuchten rechten Träume werden auch bröckeln, wir müssen ihm und seinen Freunden nur immer wieder aufzeigen, dass er so nicht durchkommt. Deshalb danke an euch alle, dass ihr da seid – und für eure Geduld.
Die Schauspielerin Vivienne Causemann und der Schauspieler David Kopp vom Vorarlberger Landestheater haben folgende Texte vorgetragen. Herzlichen Dank dafür!
Gelesen von David Kopp
Ansprache an Millionäre – Erich Kästner * 23. Februar 1899 in Dresden; † 29. Juli 1974 in München
Warum wollt ihr so lange warten,
bis sie euren geschminkten Frauen
und euch und den Marmorpuppen im Garten
eins über den Schädel hauen?
Warum wollt ihr euch denn nicht bessern?
Bald werden sie über die Freitreppen drängen
und euch erstechen mit Küchenmessern
und an die Fenster hängen.
Sie werden euch in die Flüsse jagen.
Sinnlos werden dann Schrei und Gebet sein.
Sie werden euch die Köpfe abschlagen.
Dann wird es zu spät sein.
Dann wird sich der Strahl der Springbrunnen röten.
Dann stellen sie euch an die Gartenmauern.
Sie werden kommen und schweigen und töten.
Niemand wird über euch trauern.
Wie lange wollt ihr euch weiter bereichern?
Wie lange wollt ihr aus Gold und Papieren
Rollen und Bündel und Barren speichern?
Ihr werdet alles verlieren.
Ihr seid die Herrn von Maschinen und Ländern.
Ihr habt das Geld und die Macht genommen.
Warum wollt ihr die Welt nicht ändern,
bevor sie kommen?
Ihr sollt ja gar nicht aus Güte handeln!
Ihr seid nicht gut. Und auch sie sind’s nicht.
Nicht euch, aber die Welt zu verwandeln,
ist eure Pflicht!
Der Mensch ist schlecht. Er bleibt es künftig.
Ihr sollt euch keine Flügel anheften.
Ihr sollt nicht gut sein, sondern vernünftig.
Wir sprechen von Geschäften.
Ihr helft, wenn ihr halft, nicht etwa nur ihnen.
Man kann sich, auch wenn man gibt, beschenken.
Die Welt verbessern und dran verdienen –
das lohnt, drüber nachzudenken.
Macht Steppen fruchtbar. Befehlt. Legt Gleise.
Organisiert den Umbau der Welt!
Ach, gäbe es nur ein Dutzend Weise
mit sehr viel Geld…
Ihr seid nicht klug. Ihr wollt noch warten.
Uns tut es leid. Ihr werdet’s bereuen.
Schickt aus dem Himmel paar Ansichtskarten!
Es wird uns freuen.
Den Parolen keine Chance – Konstantin Wecker * 1. Juni 1947 in München
Den Parolen keine Chance
Lasst sie nicht ans Tageslicht
Lasst sie in den Grüften modern
öffnet ihre Gräber nicht
Volk, Nation und Vaterland
Sind ihr krudes Kampfgebrüll
Alles was dadurch verbrochen
War doch längst entsorgt im Müll.
Wenn sie jetzt den Menschenfängern
Wieder aus den Mäulern sprudeln
Lasst sie ungehört verdorren
Lasst euch nicht dadurch besudeln.
Kriege mit Millionen Toten
Haben sie uns eingebracht
Folter, Mord und Diktaturen –
Siegeszug brutaler Macht.
Nein ich hör nicht auf zu träumen
Von der herrschaftsfreien Welt
Wo der Menschen Miteinander
Unser Sein zusammenhält.
Lasst uns jetzt zusammen stehen
Es bleibt nicht mehr so viel Zeit,
Lasst uns lieben und besiegen
Wir den Hass durch Zärtlichkeit.
Nennt mich gerne einen Spinner,
Utopisten und naiv,
Doch ich will nicht akzeptieren
Was da aus dem Ruder lief.
Es gibt sicher schön’re Lieder
Wohlgefällig ausgedacht
Doch ich glaube, hin und wieder
Ist ein Aufschrei angebracht.
Ja, ich hab’s schon oft besungen
Doch ich wiederhol‘ mich gern
Damals war das Schreckgespenst
Zwar bedrohlich, doch noch fern
Aber jetzt sind die Gespenster
Wieder mal aus Fleisch und Blut
Und es darf nicht mehr erwachen
Was in ihnen drohend ruht!
Nein, ich hör nicht auf zu träumen
Von der herrschaftsfreien Welt
Wo der Menschen Miteinander
Unser Sein zusammenhält.
Lasst uns jetzt zusammen stehen
Es bleibt nicht mehr so viel Zeit,
Lasst uns lieben und besiegen
Wir den Hass durch Zärtlichkeit.
Gelesen von Vivienne Causemann
Aus Wilhelm Meisters Lehrjahren der Figur Mignon (1795/96) von Johann Wolfgang v. Goethe
Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht,
Kennst du es wohl?
Dahin! Dahin
Möcht’ ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn!
Kennst du das Haus? auf Säulen ruht sein Dach,
Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,
Und Marmorbilder stehn und sehn mich an:
Was hat man dir, du armes Kind, getan?
Kennst du es wohl?
Dahin! Dahin
Möcht’ ich mit dir, o mein Beschützer, ziehn.
Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg?
Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg,
In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut,
Es stürzt der Fels und über ihn die Flut:
Kennst du ihn wohl?
Dahin! Dahin
Geht unser Weg; o Vater, laß uns ziehn!
Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn? – Erich Kästner veröffentlicht am 29.10.1927
Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn?
Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!
Dort stehn die Prokuristen stolz und kühn
in den Büros, als wären es Kasernen.
Dort wachsen unterm Schlips Gefreitenknöpfe.
Und unsichtbare Helme trägt man dort.
Gesichter hat man dort, doch keine Köpfe.
Und wer zu Bett geht, pflanzt sich auch schon fort!
Wenn dort ein Vorgesetzter etwas will
– und es ist sein Beruf etwas zu wollen –
steht der Verstand erst stramm und zweitens still.
Die Augen rechts! Und mit dem Rückgrat rollen!
Die Kinder kommen dort mit kleinen Sporen
und mit gezognem Scheitel auf die Welt.
Dort wird man nicht als Zivilist geboren.
Dort wird befördert, wer die Schnauze hält.
Kennst Du das Land? Es könnte glücklich sein.
Es könnte glücklich sein und glücklich machen?
Dort gibt es Äcker, Kohle, Stahl und Stein
und Fleiß und Kraft und andre schöne Sachen.
Selbst Geist und Güte gibt’s dort dann und wann!
Und wahres Heldentum. Doch nicht bei vielen.
Dort steckt ein Kind in jedem zweiten Mann.
Das will mit Bleisoldaten spielen.
Dort reift die Freiheit nicht. Dort bleibt sie grün.
Was man auch baut – es werden stets Kasernen.
Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn?
Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!
Thomas Gsella 2019
Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunklen Laub die schwarzen Teufel glühn,
Ein Pestgestank aus morschen Mäulern weht,
Das Gute still und hoch das Böse steht,
Kennst du es wohl?
Dahin? Dahin
Musst du mit mir, o arme Mutter, ziehn?
Kennst du das Haus? Auf Lügen ruht sein Dach,
Es fault der Saal, es schimmelt das Gemach,
Und Menschenfeinde stehn und sehn mich an:
Was hast du uns, du fremdes Kind, getan?
Zurück ins Meer!
Fort, fort von hier!
Wir werden dich ersäufen wie ein Tier!
Kennst du den Kerl aus krankem Hirn und Herz?
Komm, stoßen wir Salvini höllenwärts!
Aus seiner Höhle zerren wir die Brut,
Dann stürzt der Spuk und über ihn die Flut:
Auf, auf zum Kampf!
Dahin! Dahin
Geht unser Weg! O Mutter, lass uns ziehn!